Der „Lange“

Mein 18jähriger Wallach „Der Lange“ ist ein dunkelbraunes Mecklenburger Warmblut mit einem Stockmaß von 185 cm! Er ist mein erstes Pferd, wir sind seit 15 Jahren ein Team und er darf gerne so alt bei mir werden, wie er möchte. „Der Lange“ wurde von mir freizeitmäßig geritten, in englischer Reitweise, wie ich es gelernt hatte.

 

Er ist eine ganz treue Seele! Er hat niemals gebockt, er ist niemals gestiegen! Gräben, Baumstämme oder Gewässer waren nie ein Problem für uns. Aber: Mein Pferd wehrte sich oft sehr stark gegen den Zügel. Ich habe den Grund dafür immer bei meinen reiterlichen Fähigkeiten gesucht. Ich ritt ihn die gesamten 15 Jahre mit einem Vielseitigkeitssattel einer bekannten Marke, mit Schabracke und Gelkissen. Über die Passform eines Sattels wusste ich damals nicht mehr als das folgende: der Sattel soll gleichmäßig aufliegen auf Rücken und Schulterpartie, der tiefste Punkt des Sattels liegt in der Mitte, um das Reitergewicht gleichmäßig zu verteilen, Widerrist und Wirbelsäule sind frei. Der Sattel sollte von der Größe zu Reiter/in und Pferd passen.

 

Wie den meisten englisch gerittenen Pferden ist es auch meinem „Langen“ ergangen.

Durch seinen zu engen Sattel, zu wenig Unterpolsterung und Stoßdämpfung wurde die Rückenmuskulatur sehr geschädigt. Auf seinem Rücken war praktisch der Abdruck seines Sattel zu sehen. Sein hoher Widerrist vermittelte optisch das Bild eines Senkrückens. Jedem Reiter, der mit offenen Augen durch Pferdeställe geht, werden bestimmt viele solcher Pferderücken auffallen. Bei meiner Meisterprüfung ritt ich einen 15jährigen Hengst vom Landgestüt im Parcours, dessen Rücken noch schlimmer aussah, als der von meinem Freizeitwallach.

 

Ich glaube, mein „Langer“ hatte niemals Spaß daran, geritten zu werden und hat aber mir zu liebe die Zähne zusammengebissen – all die Jahre. Mittlerweile habe ich viel dazugelernt, was das Satteln von Pferden betrifft und was die ideale Passform des Sattels ausmacht. Besser spät als nie! Ich habe inzwischen auch meine Reitweise geändert, aus beruflichen und privaten Gründen. Zum einen sind passende Westernsattelbäume aus thermoelastischen Kunststoffen einfach pferdegerechter, zum anderen sind das Reitsystem im Westernreiten sowie der Ausbildungsweg des Pferdes zu einer vom Zügel unabhängigen Impulsreitweise leichter verständlich für das Pferd. Bei der Sport orientierten englischen Reitweise werden die Pferde sehr oft seelisch und körperlich überfordert.

 

Der Rücken meines 18jährigen Wallachs hat sich inzwischen erholt. Der Weg dahin hat ein viertel Jahr gedauert. Ich benutze einen passenden Westernsattel und 3 Unterlagen zur Polsterung. Ende Juli habe ich angefangen, den „Langen“ fünf mal pro Woche 15 Min. im Schritt zu reiten, am langen Zügel einfach geradeaus. Da ich ein Baby zu Hause hatte, konnten wir keine Ausritte unternehmen. Wir haben täglich auf unserem Reitplatz Runde um Runde gedreht. Nach vier Wochen habe ich das Training langsam auf 45 Min. erhöht und dann auf 1 Stunde täglich. Der Rücken hatte sich bis dahin nicht großartig sichtbar verändert. „Der Lange“ hat seine Runden weiter durchgezogen, im fleißigen Schritt. Ich hatte dabei immer Zeit zum Nachdenken und konnte die Seele baumeln lassen.

 

Auf den Fotos später im Oktober kann man eine gute Veränderung erkennen. Das pure Schrittreiten am langen Zügel hat deutliche positive Veränderungen bewirkt.  „Der Lange“ hat entlang des ganzen Rückens  Muskulatur aufgebaut. Ich gebe zu, dass ich anfangs Zweifel hatte, ob ich mit Schritt reiten die Rückenmuskulatur stärken kann. Deshalb haben wir es einfach versucht! Es funktioniert! Sicherlich wäre das Ergebnis noch besser ausgefallen, wenn wir leichte Steigungen zum Reiten gehabt hätten, aber in unserer Heimat an der Ostsee ist das Land völlig flach. Ich bin trotzdem sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Jetzt im November 2014 fangen wir mit Trab an. Ich freue mich auf noch viele schöne Ausritte mit meinem älteren Herrn und auf viele gesunde, gemeinsame Jahre!

 

Anke, Pferdewirtschaftsmeisterin

2016-10-21T20:23:13+02:00