Sehr persönliche Erfahrungen einer Umsteigerin nach 40 Jahren Englischreiten

Liebe Margit,

Du hast mir da was zum Überlegen gegeben, es ist gar nicht so einfach, etwas zu meinem neuen Reitgefühl zu sagen! Schließlich stehen dagegen mehr als 40 Jahre in englischen Sätteln – ein paar Urlaube auf Westernsätteln in USA mal ausgenommen.

Natürlich meckere ich immer noch über Kleinigkeiten. Das „schwere Ding“ hoch wuchten, die Steigbügel, die mir beim Tragen immer gegen die Knie poltern, die Satteldecken, die früher so nett fixierbar waren….

In der Anfangszeit habe ich immer gesagt, das ist jetzt als ob ich mit jemandem telefoniere, mit dem ich früher von Angesicht zu Angesicht gesprochen habe, will sagen, ich hatte das Gefühl, ich bin viel weiter weg vom Pferd, sitze „oben drauf“ und nicht mehr „drin“.

Dann meinte ich, ich telefoniere zwar, aber mit ungeahnter Lautstärke, das heißt dieses schwere Ding verstärkt meine (Gewichts-)hilfen und mein Pferd hat mehr Respekt vor dem, was es da auf dem Rücken fühlt.

Das hat mich motiviert, meinen Sitz weiter zu optimieren und meine Konzentration auf „Stillsitzen“ + „feine Hilfen“ zu fördern. Was mich von Anfang an fasziniert hat, ist die Sicherheit, mit der man trotz klobigem Sattel und Megapolster sein Pferd spürt!

Mein Spruch „ich geh auf meinen Fernsehsessel“ sagt eigentlich alles! Lange Ausritte im Gelände waren für mich früher sportliche Herausforderungen, jetzt weiß ich erst, wie einfach das sein kann. Dass Westernreiten auch „fein“ von der Hilfengebung sein kann, lerne ich erst jetzt. Das liegt daran, dass ich zum Umsteigen ein junges Pferd mit Problemen durch einen falsch sitzenden Westernsattel übernommen habe. Meine kleine Quarter-Stute hat anfangs ihren Rücken gar nicht „hergegeben“, weil ihr Westernsattel auf den Schulterblättern gezwickt hatte. Derartiges ist in der Anreitephase fatal, das hat sie gezeichnet und verdorben. Ihre Wut kocht immer wieder hoch.

Und jetzt sind wir, glaub ich an der Quintessenz: ohne passenden Sattel geht es weder englisch noch western, ein Pferd bleibt ein Pferd, egal mit welchem Sattel. Und wenn es gegen mich arbeitet, ist das Reitergefühl schlecht. Ich selbst kann durch den Westernsattel eine bessere Reiterin werden, wenn ich nicht vergesse, wie wichtig ein optimaler Sitz ist. Und wenn ich gleichzeitig durch die Verstärkung meiner Hilfe viel „leiser“ und entspannter einwirken kann.

Dass man mit Westernsattel auch die „Langsamkeit“ bei Trail und Horsemanship kennen lernt, steht wieder auf einem anderen Blatt, das ist ein wohltuendes Lebensgefühl in unserer „Keine-Zeit-schnell-schnell-Welt“ und hilft, die Balance wiederzufinden, und das meine ich im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinn.

Mittlerweile bin ich sehr nah dran, mein reiterliches Lebensziel zu erreichen! Das feine Reiten mit minimalen Hilfen auf einem willigen Pferd mit dem man zu einer Einheit verschmilzt! Hätte nie gedacht, dass ich mein Ziel erst nach dem Umstieg auf einen Westernsattel erreiche.

 

Deine Sophia

2018-06-27T19:50:14+02:00